Am Sonntag, den 27. März erklingt um 19:00 Uhr die Johannespassion von Johann Sebastian Bach in der Bonner Kreuzkirche. Sie ist wohl eines der bekanntesten Werke der Welt, und doch eines der geheimnisvollsten und sagenumwobensten des Meisters.
Zur Zeit Bachs war den Menschen eine Bibelkritik sehr fern, doch sowohl die Auswahl der Bibeltexte als auch der freien Dichtungen lassen erkennen, dass Bach die Besonderheit dieser Passionsüberlieferung verstanden hat. Der Gottessohn steht im Mittelpunkt. Jesus scheint ganz genau zu wissen, was auf ihn zukommt und dieses voll umfänglich zu akzeptieren. Spannend sind die philosophischen Dialoge zwischen Jesus und Pilatus, die auch in Bachs Vertonung einen großen Raum einnehmen.
Der Chor verkörpert in den vielen hochdramatischen Chorpartien den wütenden, entfesselten Mob, der Pilatus dazu bringen will, Jesus zum Tode zu verurteilen.
Der wohl anrührendste und bewegendste Choral aus der Feder Johann Sebastian Bachs beschließt dieses großartige Werk: „Ach Herr, laß dein lieb Engelein am letzten End die Seele mein in Abrahams Schoß tragen.“
Zwei Wochen später, an Karfreitag, dem 15. April um 18:00 Uhr können wir dann wieder mal eine besondere Form der Matthäuspassion in unserer Kirche erleben – „Matthäuspassion 2727“. Eigentlich ein Tanztheater, das dann an Karsamstag mit unserem Kammerchor VOX BONA, dem Barockorchester l’arte del mondo und einer der führendsten Ensembles der israelischen Tanzszene, der KAMEA Dance Company, bei den Thüringer Bachwochen zu sehen sein wird.
Die Matthäuspassion ist ein Kulturschatz völkerverbindender Dimension. Durch dieses Werk „inspiriert“, geisterfüllt, entwickelt sich ein spannungsvoller Abend von 75 Minuten. Der Titel „Matthäus-Passion-2727“ ist inspiriert durch die Fragen, was wird mit diesem Werk wohl 1000 Jahre nach seiner Uraufführung 1727 geschehen sein und was geschieht auf dem Weg dorthin. Nicht Weltanschauungen, nicht Lehrsätze werden durch Bachs Musik auf der Bühne tanzend übersetzt. Vielmehr kommen universell geltende menschliche Erfahrungen ins Spiel und zu Gehör: Leid und Neid, Trauer und Verrat.
Ausgehend vom Schlusschor der Matthäus-Passion „Wir setzen uns mit Tränen nieder“ entfaltet sich vor dem Ohr des Hörers ein Kaleidoskop von Passionsszenen, die er mit seinen Erfahrungen in Beziehung setzt und neu vernetzt.
In der konzertanten Fassung an Karfreitag ist in der Kreuzkirche Tamir Ginz (Choreograf) zu Gast. Er ist nach John Neumeier der zweite Choreograf, der sich bisher mit diesem Werk beschäftigt hat. Die Botschaft des Werkes, die für ihn als Sohn von Holocaust-Überlebenden schwer zu rezipieren war, stellte ihn vor eine große Herausforderung. Nach einer zweijährigen Arbeit, in der er sich mit Bachs Werk und dem Neuen Testament auseinandersetzte, kam er zu seiner eigenen Interpretation, die er in der Choreografie zum Ausdruck bringt. Ginz hat sein Ballett in der Zukunft angesiedelt, im Jahr 2727, 1000 Jahre nach Bachs Komposition, und er stellt sich gebrochene Menschen vor, die Erlösung und Christus suchen, Menschen, die sich nach Liebe und Ermutigung sehnen.
(Wat)